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Bericht aus der August-Session 2015 des Grossen Rates

Zu Beginn der August-Session hat der Grosse Rat Vitus Dermont (CVP) aus Laax zum neuen Standespräsidenten und als Standesvizepräsidenten Michael Pfäffli (FDP) aus St. Moriz gewählt.

Wichtigstes Sachgeschäft in dieser Session war die Behandlung der Totalrevision des Gesetzes über die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung im Kanton Graubünden. Ein Teil der Schwerpunkte kann wie folgt zusammengefasst werden:

  • Der Zweck der Förderung wird präziser umschrieben.
  • Der Nachhaltigkeitsgedanke im umfassenden Sinn ist explizit in den Förderungsgrundsätzen verankert.
  • Die Möglichkeiten für eine auf das Doppelte der festgelegten Grenzen von Beiträgen und Darlehen ausgeweitete Förderung werden zugunsten der Stärkung des ländlichen Raumes erweitert.
  • Der Kanton kann neu zusätzliche Bürgschaften für Vorhaben übernehmen. Davon können auch Unternehmen profitieren, die hauptsächlich im Binnenmarkt tätig sind, und die Massnahme soll damit hauptsächlich den KMU im ländlichen Raum entgegenkommen.
  • Die Regierung kann neu an Standorten mit grossem volkswirtschaftlichem Potenzial die Verfügbarkeit von Grundstücken zur wirtschaftlichen Entwicklung sicherstellen. Die Grundstücke können erworben, erschlossen und an Dritte übertragen werden.

Anträge auf gezielte Unterstützung der Regionen oder für die Förderung von einzelnen Betrieben wurden abgelehnt. Hingegen hat der Grosse Rat im Hinblick auf eine Effizienzsteigerung ausdrücklich festgehalten, dass Dienstleistungen und Prozesse in komplexen Projekten durch eine kantonale Stelle mit Entscheidungsbefugnissen in Verfahrensfragen koordiniert werden. Dem Antrag zur Schaffung eines Rahmenverpflichtungskredites mit Reservenbildung zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in der Höhe von 80 Millionen Franken wurde zugestimmt. Das neue Gesetz bietet eine gute Grundlage für eine gezielte Wirtschaftsförderung. Der Ball liegt bei den Regionen. Diese sind gefordert, gute Projekte zu erarbeiten und einzureichen im Sinne von „ohne Fleiss – kein Preis“. Regierungsrat Jon Domenic Parolini erhielt Lob über die Parteigrenzen hinweg für die zeitlich äusserst effiziente Ausarbeitung dieses guten Gesetzes, welches denn auch mit 109 : 1 Stimme bei einer Enthaltung angenommen worden ist.

Der von der Kommission für Staatspolitik und Strategie vorgelegte Bericht und Antrag zum Erlass übergeordneter politischer Ziele und Leitsätze für die Planungsperiode 2017 – 2020 des Regierungsprogramms und Finanzplans wurde nach ausgiebiger Diskussion mit 104 : 0 Stimmen angenommen. Es handelt sich dabei um folgende acht Leitsätze:

  1. Den Wirtschaftsstandort Graubünden weiterentwickeln und die Wettbewerbsfähigkeit stärken.
  2. Den Tourismus als Leitwirtschaft auf verändertes Nachfrageverhalten und regional unterschiedliche Angebote ausrichten.
  3. Die Wasserkraft als umweltfreundlichen Energieträger für Wirtschaft und Gesellschaft unverzichtbar machen.
  4. Entwicklungsstarken und entwicklungsschwachen Regionen positive Zukunftsperspektiven als Teil eines attraktiven Kantons geben.
  5. Kantonale, regionale und kommunale Voraussetzungen schaffen, um den eigenen Raum optimal zu nutzen und sich für die Nutzung funktionaler Räume über die Grenzen hinweg stark zu positionieren.
  6. Gesellschaftlichen Zusammenhang fördern, Migration bewältigen und öffentliche und soziale Sicherheit gewährleisten.
  7. Den demografischen Wandel im Bildungsbereich aktiv angehen. Die Bedeutung der Mehrsprachigkeit und kulturellen Vielfalt stärken und nützen. Dem Fachkräftemangel ist aktiv entgegenzutreten.
  8. Sich den Herausforderungen im Gesundheitsbereich stellen und die Chancen des Gesundheitstourismus nutzen.

Je ein von der SP und der SVP eingebrachter zusätzlicher Leitsatz wurde durch den Grossen Rat abgelehnt bzw. derjenige von der SP wurde zurückgezogen, nachdem keine Chance auf Erfolg sichtbar war.

Der Neubau einer geschlossenen Justizvollzugsanstalt in Realta (Gemeinde Cazis) war nicht umstritten und der Verpflichtungskredit von netto 86 Mio. Franken wurde mit 99:0 Stimmen bewilligt. Der Justizvollzug ist Aufgabe der Kantone. Dazu haben sich die Kantone zu insgesamt drei Konkordaten zusammengeschlossen. Graubünden gehört mit Zürich, St. Gallen, Thurgau, Schaffhausen, Glarus, Appenzell A.Rh. und Appenzell I.Rh. zum Ostschweizer Strafvollzugskonkordat. Der Kanton Graubünden führt auch für Insassen des Ostschweizer Konkordats zwei Justizvollzugsanstalten (JVA), zum einen für den offenen Vollzug die JVA Realta in Cazis und zum anderen für den geschlossenen Vollzug die JVA Sennhof in Chur. Die JVA Sennhof verfügt über 57 Plätze, davon 33 für den geschlossenen Vollzug an Männern, aber auch an Frauen und Jugendlichen. 20 Plätze dienen der ausländerrechtlichen Administrativhaft, die restlichen der Untersuchungshaft. Die JVA Sennhof liegt mitten in der Stadt und verfügt über enge, verwinkelte Räumlichkeiten und ist in die Jahre gekommen. Sie kann sowohl aus sicherheitstechnischen, betrieblichen und baulichen als auch aus finanziellen Überlegungen mittel- bis längerfristig nicht mehr aufrechterhalten werden. Heute fehlen in der Schweiz gemäss der aktuellsten „Anstaltsplanung 2013“ rund 980 Plätze im geschlossenen Straf- und Massnahmenvollzug, davon rund 140 im Ostschweizer Strafvollzugskonkordat. Diese wird sich künftig angesichts der zurückhaltenden Entlassungspraxis noch verschärfen. Geplant und dem Grossen Rat zum Bau vorgeschlagen wurde eine geschlossene Justizvollzugsanstalt mit insgesamt 152 Plätzen. Die Investitionskosten betragen 119 Mio. Franken. Der Bund unterstützt die Aufhebung der JVA Sennhof sowie den Neubau und hat einen Baubeitrag in der Höhe von rund 33 Mio. Franken in Aussicht gestellt, was für den Kanton zu Nettoinvestitionen von rund 86 Mio. Franken führt. Der Kanton Graubünden hat einen „Eigenbedarf“ von rund 20 geschlossenen Vollzugsplätzen. Das Ostschweizer Konkordat und dessen bevölkerungsreichste Kantone Zürich und St. Gallen haben ihre Bedürfnisse und Bereitschaft, Zuweisungen nach Realta vorzunehmen, wiederholt mittels Absichtserklärungen angezeigt. Dies macht den Bau der neuen JVA ausbetriebswirtschaftlichen Gründen sinnvoll. Mit dem aus dem laufenden Betrieb erzielten Ertragsüberschuss kann ein jährlicher Deckungsbeitrag an die Investitionskosten geleistet und die Gesamtrechnung des Justizvollzugs in Graubünden entlastet werden. Für den Betrieb sind insgesamt 109 Mitarbeitende notwendig. Davon sind rund 80 Stellen neu zu schaffen. Der Neubau ist deshalb auch volkswirtschaftliche für Graubünden und insbesondere für die Region Heinzenberg/Domleschg von Bedeutung. Was mit der JVA Sennhof in Chur nach deren Schliessung geschieht, ist noch offen.

Das neue Gesetz über die Aktenführung und Archivierung wurde nach stundenlanger Diskussion mit 83 : 14 Stimmen bei 12 Enthaltungen erlassen. Betroffen vom neuen Gesetz sind die Organe und Behörden des Kantons, der Regionen, der Gemeinden sowie der öffentlich-rechtlichen Anstalten, Stiftungen und Körperschaften sowie natürliche und juristische Personen, soweit ihnen öffentliche Aufgaben übertragen wurden. Diese sind zu einer geordneten Aktenführung verpflichtet. Opposition entstand dem Gesetz von bürgerlicher Seite. Insbesondere der Unterzeichnete befürchtet mit diesem Gesetz einen überrissenen administrativen Aufwand mit entsprechender Kostenfolge. Er hat auf einen Nichteintretensantrag verzichtet, da keine einzige Vernehmlassung dies zum Ziel hatte. Sein Antrag, das Gesundheitswesen dem Gesetz nicht zu unterstellen wurde mit 74 : 28 Stimmen bei sieben Enthaltungen gutgeheissen.

Die Teilrevision des Gerichtsorganisationsgesetzes warf keine hohen Wellen. Diese sieht aufgrund des gestiegenen Arbeitsvolumens vor, dass die Anzahl der vollamtlichen Richter beim Kantonsgericht von fünf auf sechs erhöht wird. Mit 95 : 14 Stimmen bei einer Enthaltung wurde der Antrag der Justizkommission genehmigt.

Ebenfalls zu keinen grossen Diskussionen führte die Teilrevision des Gesetzes über die Graubündner Kantonalbank. Dabei ging es vor allem um die Übernahme regulatorischer Vorgaben der Finma, der Eidgenössischen Finanzaufsicht. Die Amtsdauer des Bankrates, welcher seit der letzten Revision dieses Gesetzes der Regierung obliegt, wurde fix auf 12 Jahre festgesetzt. Eine mögliche Verlängerung auf 16 Jahre aus Kontinuitätsgründen gemäss Antrag der Regierung wurde mit 60 : 40 Stimmen abgelehnt. In der Schlussabstimmung wurde der Gesetzesrevision dann klar zugestimmt.

Aus Zeitgründen wurde die Behandlung der Teilrevision des Steuergesetzes auf die Oktobersession verschoben.

                                                                                            

Grossrat Urs Hardegger, Seewis